Modalanalyse

Die Modalanalyse ist ein computergestütztes akustisches Werkzeug. Mithilfe der Modalanalyse werden in unserm Labor die Schwingungsformen von Geigen, Bratschen und Celli analysiert und animiert. Somit dient die Modalanalyse als ein Diagnosetool dazu, die Ursachen für den Klang und die Spielbarkeit von Streichinstrumenten  sichtbar zu machen.

Modalanalyse einer Geige von Pietro (II) Guarneri

Wie funktioniert die Modalanalyse?

Ursprünglich kommt diese Technik aus der Luft- und Raumfahrt. Erste Anwendungen waren damals die Schwingungsanalysen von Flugzeugtragflächen oder Satelliten. Während heute bei vielen technischen Anwendungen (z.B. beim Fahrzeugbau) das Schwingungsverhalten der Struktur nur eine untergeordnete Funktion darstellt, verhält es bei der Geige anders: Die Eigenschwingungen der Geige sind die eigentliche Primärfunktion. Die Eigenschwingungen bestimmen, wie das Instrument klingt und wie es sich spielen lässt, wie die Geige also funktioniert.

Im Meisteratelier für Geigenbau Martin Schleske wird die Modalanalyse als ein die Geigenbauer-Intuition ergänzendes Diagnosewerkzeug bei der Klangeinstellung und dem Neubau von Streichinstrumenten eingesetzt.

In welchem Zustand des Instrumentes wird die Analyse durchgeführt?

Prinzipiell können die Eigenschwingungen der Struktur in beliebigen Fertigungszuständen analysiert werden. Es spielt für die Anwendung der Modalanalyse keine Rolle, ob das Instrument im spielfertigen Zustand (mit aufgezogenen Saiten) oder im Werdegang (z.B. die freie Decke mit oder ohne Bassbalken) analysiert wird. Natürlich weisen die freien Platten andere Eigenschwingungen auf das fertige Instrument. Dennoch werden bei Restaurationen oder Neuanfertigungen häufig auch einzelne, unfertige Werdegangzustände in ihrem modalen Verhalten analysiert. Bei der Neuanfertigung von Klangkopien erwies sich die Analyse der Eigenschwingungen des weißen Korpus’ (vor Einleimen des Halses) als äußerst aufschlussreich, um das zu erwartende Resonanzprofils (und damit des Klanges) des werdenden Instrumentes abschätzen zu können.

Bei der Erstellung von Akustikexpertisen wird das Instrument dagegen stets im spielfertigen Zustand untersucht. Es müssen dabei nicht zwingend Änderungen des Instrumentes vorgenommen werden.

 

Wie wird eine Modalanalyse durchgeführt?

Im Meisteratelier für Geigenbau Martin Schleske  wird das Instrument mit Hilfe eines kleinen Impulsgebers an ca. 600 Messpunkten angeregt. Die Schwingungsantwort wird durch einen Miniatursensor aufgezeichnet. Es müssen dabei keinerlei Eingriffe oder Veränderungen am Instrument vorgenommen werden. Der einzige „Eingriff“ besteht darin, die Saiten mit einem dünnen Schaumstoffstreifen zwischen Saiten und Griffbrett zu bedämpfen. Das Instrument wird auf Schaumstoffkissen weich gelagert und im spielfertigen Zustand vermessen.

Ansicht auf den Messplatz zur Modalanalyse von Streichinstrumenten. Der mit Linearkugellagern und Wegaufnehmern ausgestattete Koordinatenmesstisch dient der exakten Messpunktebestimmung.

Detailansicht der Modalanalyse einer Geige. Elastische Lagerung auf Schaumstoffkissen. Anregung mittels Impulshämmerchen. Abtastung am Steg mittels Beschleunigungsaufnehmer.
Geige: P.J. Hel (Lille)

Modalanalyse eines Cellos (Montagnana 1740). Mithilfe eines Impulshämmerchens und eines Beschleunigungsaufnehmers werden ca. 600 verschiedenen Übertragungsfunktionen gemessen. Das Instrument wird dabei auf Schaumstoffkissen weich gelagert. Der mit Linearkugellagern und Wegaufnehmern ausgestattete Koordinatenmesstisch dient der exakten Messpunktebestimmung.

Prinzipiell können die Eigenschwingungen des Instrumentes in beliebigen Fertigungszuständen analysiert werden. Bei Restaurationen – wie hier an einer Cellodecke von Antonio Stradivari - werden im Meisteratelier für Geigenbau Martin Schleske häufig auch einzelne, unfertige Werdegangzustände modal analysiert.
Abbildung: Modalanalyse einer Cellodecke. Vergleich des neu eingepassten Bassbalkens mit dem Schwingungszustand des vorhergehenden (nicht originalen) Bassbalkens.

Die Signale des Impulsgebers und des Aufnahmesensors werden mit einem sog. Fourier-Analysator weiter verarbeitet. Es wird für jeden Messpunkt eine sog. Übertragungsfunktion berechnet. Ein Beispiel solch einer Übertragungsfunktion ist in nachfolgender Abbildung gegeben.

Übertragungsfunktion einer Geige. Aufgetragen ist das Verhältnis von Schwingungsantwort zu anregender Kraft als Funktion der Frequenz. Oben: Schwingungspegel (log. Mag.), unten: Phase.

Für eine vollständige Modalanalyse einer Geige werden etwa 600 solcher Übertragungsfunktionen (jeweils an einem anderen Koordinatenpunkt) gemessen. Verwendetes Modalanalyse-Programm: „STAR Structure“.

Diese Messpunkte werden mit Hilfe eines auf Linearwellen kugelgelagerten Koordinatenmesstisches ermittelt und an den Computer übertragen. Weist das Instrument bei einer bestimmten Frequenz eine starke „dynamische Beweglichkeit“ auf, so genügt bereits eine geringe anregende Kraft, um eine große Schwingungsantwort hervorzurufen. Somit berechnet der Computer für die Kurve der Übertragungsfunktion an dieser Frequenz einen entsprechend hohen Wert. Die Resonanzen erscheinen in dieser Messung als lokale Maximalwerte bzw. als „Resonanzspitzen“.

Anschließend werden aus sämtlichen gemessenen Übertragungsfunktionen die Eigenschwingungsformen des Instrumentes errechnet. Nachfolgend ist die Oberfläche des Modalanalyse-Programms dargestellt. Geöffnet sind Fenstern für Einzelmessungen, Definition von Koordinaten und Gitternetzlinien, sowie Drahtgitter-Modell.

Oberfläche des Modalanalyse-Programms zur Auswertung der Messungen, Geometrie-Definition, sowie Berechnung und Darstellung der Schwingungsformen.

Als Ergebnis der Geometrie-Definition und der Schwingungsmessungen werden nun die Schwingungsformen durch eine Drahtgitter-Animation in Zeitlupendarstellung auf dem Monitor sichtbar gemacht.

Zur Vertiefung: