Ausarbeitung

Messmethode und Darstellung der Ausarbeitung (Plattendicken) von Streichinstrumenten. Beispiele:

  • Ausarbeitung eines Violoncellos mit Decke von A. Stradivari und Boden von G. F. Lott.
  • Vergleich der Ausarbeitung zweier Geigen (Stradivari – Montagnana)
  • Ausarbeitung sechs verschiedener Geigen von Guarneri del Gesù im Vergleich

Für die Abtastung der Ausarbeitung des geschlossenen Streichinstrumentes haben wir ein eigenes Sensorsystem entwickelt: Der Messsensor tastet dabei die Oberfläche der in ihrer Dicke zu bestimmenden Platte ab. Das Signal wird auf einer analogen Millimeter-Skala elektronisch zur Anzeige gebracht. Gleichzeitig wird über einen kleinen Lautsprecher ein Ton hörbar, dessen Tonhöhe proportional zur gemessenen Plattendicke ist, wobei ein Halbtonintervall einer Änderung der Plattendicke von 1/10mm entspricht. Aufgrund der flachen Abmessung des Sensorsystems kann eine problemlose Messung auch unter dem Saitenhalter und unter dem Griffbrett erfolgen.

Das Messgerät

Die Abbildung zeigt den Prototyp des Messgerätes im Einsatz bei der Messung eines Cellos.  Der Messwert wird vom graphischen Programm des Computers erfasst. Die Analogspannung des Sensors steuert darüber hinaus die Tonhöhe eines Funktionsgenerators. Auf diese Weise wird neben der optischen Anzeige die Plattenstärke auch akustisch abgehört: hohe Töne werden bei dünnen Stärken erzeugt, tiefe Töne bei dicken Plattenstärken. Werden auf dem Instrumentenkorpus Linien gleicher Tonhöhe abgetastet werden, so beschreiben diese die Linien gleicher Plattendicke.  Instrument: Cello von Domenico Montagnana (Venedig 1740).

Grauwertdarstellung

Die vom Messsensor an den Computer weiter geleiteten Dickenwerte und Koordinaten werden durch Interpolation zu einer flächigen Gesamtdarstellung der Ausarbeitung „zusammengesetzt“: Als Ergebnis wird eine „Stärkenlandkarten“ erzeugt. Diese kann farbig oder in Grauwerten ausgegeben werden. Nachfolgend ist die „Stärkenlandkarte“ eines Cellos wiedergegeben:

Konstruktionsanalyse eines Violincellos (Decke von A. Stradivari; Boden von G.F.Lott). Die Stärken (in mm) werden mit Hilfe des genannten elektronischen Sensors und eines XY-Koordinatentisches an 372 Punkten gemessen. Diese Messung erfolgt am geschlossenen, spielfertigen Instrument. Die geringe Sensorabmessung erlaubt eine Messung auch unter dem Griffbrett und Saitenhalter. Die Berechnung der Dickenschichtlinien (hellgrau = dünn; dunkelgrau = dick) erfolgt durch anschließende Interpolation von insgesamt 59 000 Punkten.

Diese Ausarbeitungsanalyse offenbart wesentliche Konstruktionsgesichtspunkte des vorliegenden Instrumentes.

Farbdarstellung

Die nachfolgende Abbildung zeigt als farbige Höhenschichtkarte die Deckenausarbeitung einer Geige von Antonio Stradivari (1712) mit einer optischen Auflösung von 0.2mm, wobei die Genauigkeit der Messung natürlich größer ist als die der Auflösung. Der exakte Wert und der Verlauf der Plattendicke (in mm) sind am Übergang zwischen benachbarten Farbschichten ablesbar. Durch Analyse mehrerer Instrumente desselben Erbauers werden bestimmte “Ausarbeitungssysteme” erkennbar. Auch werden – anders als bei der bloßen numerischen Wiedergabe von Einzelwerten durch die Farbverläufe typische Merkmale erkennbar. Die abgebildete Stradivari-Decke zeigt die Idee Stradivaris, dem Bereich der steil ansteigenden Wölbungshohlkehle oberhalb der ff-Löcher stärkere Plattendicken zu geben. Auch ist damit sofort offenkundig, dass die Bereiche am Ende des Bassbalkens dünner ausgearbeitet sind, als die restlichen Deckenbereiche. Dadurch wird eine zusätzliche Entkoppelung der großflächigen Schwingungsbäuche im Bereich des Bassbalkens erzielt.

Analyse der Plattenausarbeitung einer Geigendecke von Antonio Stradivari (1712). Messung der Plattendicken an 360 Messpunkten am geschlossenen Instrument mittels elektronischen Sensors. Berechnung von über 59 000 Zwischenwerten durch Interpolation.

Darstellung des exakten Dickenverlaufes durch farbige Höhenschichtkarte. Die dünnen Bereiche sind rot, die dicken Bereiche blau dargestellt.

Vergleichsdarstellung

Da die Dickenwerte in numerischer Form vorliegen, können nicht nur -wie oben gezeigt- die Absolutwerte dargestellt werden. Oft ist es von Interesse, die Ausarbeitung zweier Instrumente miteinander zu vergleichen, um charakteristische Unterschiede sichtbar zu machen. Dazu wird die Differenz zweier Datensätze graphisch dargestellt. Die farbige Höhenschichtkarte zeigt dann die lokalen Stärkenunterschiede beider Instrumente.

Vergleich der Ausarbeitung zweier Geigen (Stradivari - Montagnana). Die weißen Bereiche kennzeichnen eine identische Plattendicken (0mm Differenz) beider Geigen. Die blauen Bereichen zeigen diejenigen Bereiche, an denen die Platten der ‚Stradivari 1712‘ dicker gearbeitet ist; die gelb-roten Bereiche diejenigen Bereiche, an denen die ‚Montagnana 1729‘ dicker gearbeitet ist (jeweils Skalierung in Millimeter). Die Stradivari aus dem Jahre 1712 ist bis auf wenige Bereiche deutlich dicker als die Montagnana. Der vergleichsweise dickere Bodenrand der Stradivari und das vergleichsweise dickere Deckenzentrum der Montagnana weisen auf einen unterschiedlichen klanglichen Grundgedanken hin.

Die Darstellung der Ausarbeitung mittels Höhenschichtkarte hat gegenüber der Darstellung von bloßen Zahlen (Einzelwerten) den Vorteil, dass der Verlauf (das „Ausarbeitungssystem“) sofort erfasst werden kann. So zeigt etwa die entsprechende Darstellung der Stärkenverteilung von sechs verschiedenen Geigen des berühmten Meisters Guarneri del Gesù sofort, dass die Decke eines der Instrumente (die „Kreisler“ aus dem Jahr 1730) erheblich „aus dem Rahmen fällt“ und einem völlig anderen System folgt als die anderen fünf. Aus den bloßen Zahlenangaben ist diese Besonderheit nicht in dieser drastischen Weise ersichtlich.

Stärkenverteilung der Decke und des Bodens von sechs Geigen des Altmeisters Guarneri del Gesù aus dem 18. Jahrhundert. Dunkelgraue Dickenschichten repräsentieren dicke Stärken, hellgraue dünne Stärken. Decke jeweils links, Boden jeweils rechts.

Die dieser Abbildung zugrunde liegenden Daten wurden den Zahlenwerten entnommen aus: Biddulph, Peter et.al.: „Giuseppe Guarneri del Gesù“, London 1998. Die bloß numerischen Darstellungen der Plattenstärken, wie sie in diesem Buch geliefert werden, lassen sich durch derartige Grauwert-Konturdarstellungen sinnvoll ergänzen.