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Übertragungsfunktion

Was ist eine Übertragungsfunktion?

Die Übertragungsfunktion ist von großer Bedeutung für die akustische Beschreibung einer Geige, denn hier werden die Resonanzen und damit das akustische Eigenleben des Instrumentes sichtbar. Man könnte daher den Kurvenverlauf der Übertragungsfunktion anschaulich auch als „Resonanzprofil“ des Instrumentes bezeichnen. Jede Geige, Bratsche oder Cello weist ihr eigenes, charakteristisches, unverwechselbares Resonanzprofil auf. Was ist eine Übertragungsfunktion und wie wird sie gemessen?

Messung einer Übertragungsfunktion

Abb.: Impulshammer und Beschleunigungsaufnehmer zur Messung einer Übertragungsfunktion der Geige. Der Impulshammer enthält eine kleine Kraftmesszelle, mit welcher zeitlicher Verlauf und Betrag der eingeleiteten Kraft F gemessen werden. Der Beschleunigungsaufnehmer mißt die Schwingungsantwort a. Er hat eine Masse von lediglich 0.5g.

Die Übertragungsfunktion (engl. „Transferfunction“ oder „Frequency Response Function FRF“) zeigt, wie die Geige „antwortet“, wenn sie zum Schwingen erregt wird. Wird das Instrument mit einem kurzen Impuls in Schwingung versetzt, so antwortet es auf diese Anregung mit seinen sämtlichen Resonanzen (Eigenschwingungen). Zur Messung der Übertragungsfunktion FRF wird sowohl die impulsförmige Anregung (Kraft F) als auch die Antwort (Schwingungsbeschleunigung a) gemessen. Anschließend wird der Quotient aus Antwort a und Anregung F berechnet: FRF=a/F.
Der kurze Anregungsimpuls hat eine zeitliche Länge von weniger als einer tausendstel Sekunde (der exakte Zeitverlauf wird von einem digitalen Signalprozessor erfasst). Im Frequenzbereich betrachtet, beinhaltet dieser kurze Impuls sämtliche Frequenzen, die zur Anregung des Instrumentes nötig sind.

Wenn das Instrument in einer seiner Resonanzfrequenzen angeregt wird, dann reicht bereits eine geringe Kraft F aus, um eine große Schwingungsbeschleunigung a zu erzielen. Der Grund dafür ist, dass die Geige in ihren Resonanzen dynamisch sehr „beweglich“ ist. Diese hohe „Resonanzbeweglichkeit“ wird durch einen entsprechend großer Übertragungsfaktor a/F erkennbar. Die Folge: Das „Resonanzprofil“ weist hier eine Resonanzspitze auf.

Wird das Instrument dagegen in einer Frequenz erregt, in deren Nähe keine Resonanz vorhanden ist, bewirkt die Anregungskraft F nur eine geringe Schwingungsantwort a. Bei dieser Frequenz wird entsprechend nur ein kleiner Übertragungsfaktor gemessen. Im „Resonanzprofil“ wird dieser als Einschnitt erkennbar.

Wenn (bildlich gesprochen) alle Übertragungsfaktoren mit steigender Anregungsfrequenz (x-Achse) nebeneinander aufgezeichnet werden, erhält man als gemessene Kurve den Betrag der Übertragungsfunktion FRF. Auf der Amplitudenachse (y-Achse) ist dabei der jeder Frequenz zugehörige Übertragungsfaktor ablesbar.

Die Übertragungsfunktion ist also eine frequenzabhängige Kurve, an der das Verhältnis von Antwort zu Anregung bzw. das Verhältnis von Beschleunigung zu Kraft (a/F)  für alle Frequenzen (f) abgelesen werden kann:

FRF=a(f)/F(f).

J.B. Fourier

Die mathematische Berechnung der Übertragungsfunktion erfolgt durch die sog. Fouriertransformation. Dabei wird der Zeitbereich der beiden gemessenen Signale a(t) und F(t) in den Frequenzbereich transformiert. Für diese Messung ist der Einsatz eines sog. Fourieranalysators erforderlich.

J.B. Fourier zeigte 1822 in seiner ,,Theorie analytique de la chaleur``, daß sich ein Vorgang beliebiger Form, der sich nach einer Periode T wiederholt (z.B. die Schwingung einer gestrichenen Geigensaite) vollständig aus einzelnen harmonischen Frequenzkomponenten aufbauen läßt. Die Grund- und Oberschwingungen nennt man Fourierkomponenten.

Auf ihn geht die sog. Fouriertransformation zurück - jener Algorithmus anhand dessen Signale vom Zeitbereich in den Frequenzbereich transformiert werden können. Die Fourriertransformation läßt sämtliche Frequenzkomponenten sichtbar werden, aus denen zeitliche Vorgänge bestehen.

Beispiel: Resonanzspitze der Hauptcorpusresonanz

Abb.: Resonanzprofil einer Geige: Im Betragsspektrum (rot) ist jede Resonanz als eigene „Gebirgsspitze“ erkennbar. Hier lassen sich Eigenfrequenzen und Dämpfungen der Resonanzen ablesen. Die Phase (blau) gibt Auskunft über die zeitliche Verschiebung zwischen Anregung und Antwort innerhalb einer Schwingungsperiode T.

Die auf der Messung von Übertragungsfunktionen basierende Resonanzanalyse von Geigen, Bratschen und Violoncelli läßt Rückschlüßsse auf Konstruktion, Materialeigenschaften und Lackierung des Instrumentes zu.

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